SIDON, Saïda (Syria Phoenicia)
Quellen
Flavius Josephus, Bellum Iudaicum I 21,11 (422):
„Nach so vielen Gründungen erwies er (d. h. Herodes der Große) auch zahlreichen auswärtigen Städten seine Hochherzigkeit. Den Städten Tripolis, Damaskus und Ptolemais errichtete er Gymnasien, für Byblos eine Stadtmauer, für Berytos und Tyros Hallen, Säulengänge, Tempel und Platzanlagen, in Sidon und Damaskus sogar Theater, für das am Meer gelegene Laodikeia eine Wasserleitung, für Askalon großartige Bäder und Brunnen, ferner außerordentlich kunstreich ausgestattete, gewaltige Kolonnaden. Anderen machte er Grünanlagen und grasüberwachsene Plätze zum Geschenk. Viele Städte bekamen von ihm Land zugewiesen, als lägen sie innerhalb seines Herrschaftsbereichs. Wieder anderswo stiftete er das Amt des Gymnasiarchen, und zwar in einem einjährigen Turnus für unbegrenzte Dauer; dabei sorgte er auch dafür - etwa in Kos -, daß die eingehenden Gelder stets für die Kampfpreise zur Verfügung standen. Außerdem veranlaßte er großzügige Getreidespenden an alle Armen, der Insel Rhodos gewährte er immer wieder Unterstützung zum Ausbau ihrer Flotte, und den dortigen Apollontempel, der einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen war, ließ er aus eigenen Mitteln noch prachtvoller wieder aufbauen. Man muß da noch erwähnen, was er den Lykiern und Samiern an Geschenken zueignete, oder wie großzügig er überall in Ionien den Bedürftigen half? Strotzen nicht Athen, Lakedämon, Nikopolis und Pergamon in Mysien von den Weihegaben des Herodes? Hat er nicht die wegen ihres Schmutzes unbenützbare Hauptstraße von Antiochien in Syrien auf zwanzig Stadien mit glattem Marmor belegt und ebensoweit mit einem überdachten Säulengang ausgestattet, damit man bei Regen geschützt ist? 12. Solcherlei Geschenke kamen, wie man sagen möchte, nur den einzelnen Völkern zugute, denen sie zugeeignet waren, mit seiner Spende für Elis jedoch beglückte er nicht nur das gesamte Griechenland insgemein, sondern die ganze bewohnte Erde, so weit der Ruhm der Olympischen Spiele zu dringen vermag. Als er nämlich Zeuge wurde, wie es mit diesen Spielen aus Geldmangel hoffnungslos bergab ging und wie das letzte Stück des alten Hellas dahinschwand, da fungierte er nicht nur in jenem olympischen Jahr seiner Seereise nach Rom als Kampfrichter, sondern er stiftete auch für alle Zeiten Einkünfte, die seinen Namen zugleich mit der Abhaltung der Spiele der Nachwelt überliefern sollten.“
Beschreibung
Das antike Theater in Sidon wurde lange Zeit nicht als solches erkannt, obwohl Teile davon bereits 1920 freigelegt wurden. Dies lag ohne Zweifel an der nachantiken Nutzung seiner Reste als Basis für eine Befestigung. Diese war als Zitadelle in die Südostecke der mittelalterlichen Stadtmauer eingebunden. Die Stelle wird daher bis heute als „Landburg“ (als Pendant zur auf einer Insel im Hafen gelegenen „Seeburg“), mit den auf die historisch überlieferten Erbauer zurückgehenden Bezeichnungen „Qal‘at al-Mu‘izz“ bzw. „Château de Saint-Louis“ bezeichnet. Der Schutthügel, der das bisher nur in einem geringen Umfang freigelegte Theater bedeckt, wurde vielfach als Akropolis der antiken Stadt angesprochen.
Die aufgehenden Reste des Bauwerks können zwanglos mit dem bei Flavius Josephus, bellum Iudaicum I 21,11 genannten Theater Herodes’ des Großen identifiziert werden. Sie sind demnach dem ausgehenden 1. Jh. v. Chr. zuzuweisen. Nach der überlieferten Bezeichnung des Platzes scheint der fatimidische Kalif al-Mu‘izz (953-75) die Ruinen des Theaters zu einer ersten Befestigung ausgebaut zu haben, die in der Kreuzfahrerzeit und in der osmanischen Epoche erneuert wurde. Die Anlage imponiert daher heute vor allem durch die osmanenzeitlichen Burgreste. Sondierungsgrabungen in den 1960er Jahren ließen erste Vermutungen aufkommen, dass es sich bei den Grundmauern der Burg um die Reste eines Theaterbaus handeln könnte. Diese wurden durch einen vom Verf. 2003 durchgeführten Survey der obertägigen Bausubstanz verifiziert und aufgemessen.
Von den erhaltenen Resten ist vor allem das ehemalige Bühnengebäude zu nennen, das ungefähr in Ost-West-Richtung verläuft und von dem der Ostteil bis zu den Grundmauern des ersten Obergeschosses erhalten ist. Die nordseitige Rückwand wird von mächtigen, bis zu 2,65 m vorspringenden Strebepfeilern gestützt, zwischen denen rundbogige Portalöffnungen Zutritt zu einem tonnengewölbten Gang in seinem Untergeschoss gewährten. Die Zugänge sind bis auf den östlichsten bei dem Umbau des Theaters zu einer Wehranlage vermauert worden. Der 2,45 m breite Gang erstreckte sich über die volle Länge (ca. 100 m) des Bühnengebäudes. Er ist in seinem östlichen Teil auf 32 m Länge vollständig erhalten, im restlichen Teil (ca. 68 m) nur in den Grundmauern. Das Obergeschoss des Bühnengebäudes wird über die im Ostflügel des Bühnenhauses gelegene Versura (
Vitruv V 7,8) mit einem zweifach gewinkelten Treppenaufgang erschlossen. Die Versura und der Ostteil des Bühnenhauses dienten der Zitadelle der Kreuzfahrer und der Ende des 16. Jahrhunderts errichteten osmanischen Burg als Substruktion eines Eckturms. Von hier aus zieht die Außenmauer der Cavea nach Süden, um nach ca. 18 m abzubrechen. Auf ihrer Innenseite ist der einst eingewölbte Umgang der Summa Cavea noch gut nachvollziehbar. Seine Innenwand zeigt ein Mauerwerk in
Opus-reticulatum-Technik. Im Westteil der Cavea sind zudem noch Teile eines Radialgangs erhalten. Da das Theater noch nicht ausgegraben ist, lassen sich keine weiteren Angaben zu seiner Struktur machen. Die vollständige Freilegung des Areals ist seit längerem geplant.
Literatur
G. Contenau, Deuxième mission archéologique à Sidon (1920), Syria 4, 1923, 261-275.
R. Donceel, Notes archéologiques concernant les fouilles et études entreprises au Liban de 1962 à 1965, suite (II), Cahiers de l’Oronte 4, 1965, 98-99.
M. Dunand, Rapport préliminaire sur les fouilles de Sidon en 1964, 1965, Bulletin du Musée de Beyrouth 20, 1967, 29-34
R. Saidah, Archaeology in the Lebanon 1968-1969, Berytus 18, 1969, 119-142, spez. 122-125.
P. Ciancio Rossetto/G. Pisani Sartorio (Hrsg.), Teatri greci e romani alle origini del linguaggio rappresentato, III (Rom 1994) 125.
M. Piana, Die Kreuzfahrerstadt Sidon (Sagette, Saidā), in: Ders. (Hrsg.), Burgen und Städte der Kreuzzugszeit, Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 65 (Petersberg 2008) 367-383, spez. 371-374.
(M. Piana)
Veranstaltungen
Purpur-Spiele
Die Siegerinschrift des Valerius Eklektus aus Sinope, in Athen aus den Jahren nach 248 n. Chr. erwähnt Spiele, die nach dem Farbstoff Purpur benannt sind, für den in Sidon eine bedeutende Industrie bestand, die den Reichtum der Stadt neben seiner Glasindustrie garantierte.