Die Neronia wurden im Jahre 60 eingerichtet und waren die ersten Spiele der Stadt Rom, die man als griechische Spiele bezeichnen kann, da sie einen mit periodischer Wiederkehr geplanten Agon darstellten. Trotz der vom Senat über Nero verhängten damnatio memoriae wurden die Spiele weitergeführt und unter Gordian III. scheinbar erweitert und bestätigt (Aurelius Victor, de caesaribus 27,8)
Aurelius Victor, de caes. 27,8.
Cassius Dio LXI 21. LXIII 1. 6. 8-10. 14. 20. 21.
Sueton, Nero XII 3; XX 1-2. 3; XXI 1; XXXII 3-4; XXXIX 2-3; XL 4; XLI 2; XLV 2; XLVI 3; LIII; LIV.
Quellen
Sueton, Nero XII 3 (latein. Text):
„Er führte auch als Erster in Rom einen alle fünf Jahre stattfindenden Wettkampf ein, der nach griechischer Sitte drei Disziplinen umfaßte: musische, gymnische und hippische Wettkämpfe. Diesen nannte er die »Neronischen Spiele«. Zu diesem Zweck erbaute er Thermen und ein Gymnasium, wo er Senatoren und Rittern das Salböl sogar unentgeltlich zur Verfügung stellte. Als Kampfrichter für den ganzen Wettkampf wurden ehemalige Konsuln durch das Los bestimmt, die auf den Plätzen der Prätoren saßen. Darauf stieg Nero in die orchestra hinab und setzte sich unter die Senatoren. Er erhielt den Siegeskranz für lateinische Beredsamkeit und Dichtung, um den sich die allerbesten bewarben und den sie ihm einstimmig zuerkannten. Vor dem Siegeskranz im Kitharaspiel, der ihm von den Preisrichtern zuerkannt worden war, verneigte er sich nur voll Verehrung und ließ ihn vor der Statue des Augustus niederlegen."
Sueton, Nero XXI 1 (latein. Text):
„Weil er großen Wert darauf legte, auch in Rom zu singen, ließ er die Neronischen Spiele vor dem bestimmten Tag beginnen. Als alle Anwesenden seine »himmlische Stimme« zu hören begehrten, antwortete er zwar anfänglich, dass er ihnen bei seinen Gärten diesen Wunsch erfüllen wolle. Da aber auch die wachhabenden Soldaten die Bitten des Volkes unterstützten, versprach er gerne, jetzt gleich aufzutreten. Ohne Verzug befahl er, seinen Namen auf die Liste der auftretenden Kitharöden zu setzen, legte wie alle übrigen sein Los in die Urne und betrat, als die Reihe an ihn kam, zusammen mit den Prätorianerpräfekten, die seine Leier trugen, gefolgt von den Militärtribunen und umgeben von seinen intimsten Freunden, die Bühne. Sobald er sich bereit gemacht hatte, begann er sein Vorspiel und ließ durch den ehemaligen Konsul Cluvius Rufus verkünden, dass er die »Niobe« singen werde. Dies dauerte ungefähr bis 4 Uhr abends. Die Verleihung des Siegeskranzes und des Rest des Wettkampfs verschob er auf das folgende Jahr, um Gelegenheit zu haben, noch öfter zu singen. Aber da ihm auch dies zu lang dauerte, zögerte er nicht, immer wieder öffentlich aufzutreten.
Er dachte auch daran, an Schauspielen, die durch verschiedene Beamten und auf ihre Kosten veranstaltet wurden, unter den Bühnenkünstlern aufzutreten, da ein Prätor ihm eine Million Sesterzen dafür anbot. Er sang sogar kostümiert in Tragödien, als Heros und Gott, wie auch als Heroin und Göttin, wobei die Maske seine Gesichtszüge und die seiner jeweiligen Geliebten trugen. Unter anderem trat er in »Die Niederkunft der Kanake«, »Der Muttermörder Orest«, »Der blinde Ödipus« und »Der rasende Hercules« als Sänger auf. Man erzählt sich, das bei letzterer Aufführung ein junger Rekrut, der den Eingang bewachte, dem Kaiser zu Hilfe geeilt sei, als er sah, we dieser verkleidet und in Ketten gelegt wurde, wie das Stück es verlangte."
Lit.: B. Zimmermann, Seneca and Pantomime, in: E. Hall - R. Wyles (Hrsg.), New directions in ancient pantomime (Oxford 2008) 225 f.
Sueton, Nero XXXII 3-4:
„Von allen Städten, die ihm je einen Siegeskranz verliehen hatten, verlangte er die Belohnungen zurück, die er ihnen als Anerkennung gespendet hatte. Den Gebrauch violetter und purpurner Färbemittel verbot er ebenfalls, stiftete dann aber jemanden dazu an, am Markttag einige wenige Gramm davon in den Handel zu bringen und und ließ daraufhin die Magazine aller Kaufleute beschlagnahmen. Er soll sogar beim Auftritt als Sänger eine Dame, die ein Kleid in dieser verbotenen Farbe trug, im Publikum bemerkt und sie seinen Prokuratoren gezeigt haben. Auf der Stelle wurde sie fortgeschleppt und nicht allein ihres Kleides, sondern auch ihres ganzen Vermögens beraubt."
Sueton, Nero XXXIX 2-3.
Sueton, Nero XL 4.
Sueton, Nero XLI 2.
Sueton, Nero XLV 2:
„So war er bei allen verhaßt und es fehlte nicht an Schmähungen aller Art, die er über sich ergehen lassen mußte. Auf dem Scheitel einer seiner Statuen wurde ein Lockenschmuck befestigt, der mit einer griechischen Inschrift versehen war, die besagte, dass jetzt ein richtiger Kampf sei und er sich ergeben möge. Um den Hals einer anderen Statue wurde ein Ledersack gebunden und eine Aufschrift angebracht: 'Was kann ich dafür? Du aber hast den Sack verdient.' Auch auf Säulen wurde geschrieben, dass er mit seinem Gesang sogar die gallischen Hähne aufgeschreckt habe. Nachts hörte man oft Leute, die sich stellten, als hätten sie Händel mit Sklaven, und in einem Fort nach einem Vindex riefen."
Sueton, Nero XLVI 3 (latein. Text).
Sueton Nero LIII-LIV.
Lit.: K.R. Bradley, Suetonius'Life of Nero: a historical commentary, Collection Latomus, 157 (Brüssel 1978).
Sueton, Poet. 50-2R (Lukan; latein. Text):
„M. Annaeus Lucanus aus Corduba zeigte die ersten Früchte seiner Begabung in einer Lobrede auf Nero bei den alle fünf Jahre stattfindenden Dichterwettkämpfen." (Übers. nach A. Stahr)
Lit.: A. Rostagni, Svetonio de Poetis e biografi minori, restituzione e commentario (Turin 1944) 143.
Tac., ann. XIV 20 (latein. Text):
(20) „Unter dem 4. Konsulat Neros und dem des Cornelius Cossus wurden in Rom die 5-jährigen Spiele nach Art der griechischen Wettkämpfe eingeführt, worüber in der Öffentlichkeit allerlei geredet wurde, wie dies ja bei fast allen Neuerungen der Fall ist. Manche führten an: Auch Pompeius sei von den älteren Leuten getadelt worden, dass er ein ständiges Theater gebaut habe. Vorher habe man gewöhnlich für das Abhalten von Spielen lediglich rasch Sitzbänke aufgeschlagen und eine Bühne für den augenblicklichen Bedarf errichtet. Oder, wenn man weiter zurück in die alte Zeit gehen wollte, so habe das Volk stehend zugeschaut, damit es nicht tagelang im Theater ununterbrochen sich dem Nichtstun hingebe, wenn es sitzen könne. Immerhin, möge man die alte Form der Schauspiele beibehalten, bei der kein Bürger, sooft die Prätoren welche veranstalteten, gezwungen wurde, als Wettkämpfer aufzutreten. Überhaupt würden allmählich die aus der Übung gekommenen Sitten der Väter durch die Zügellosigkeit fremder Herkunft gänzlich ausgerottet, und die Folge sei, dass man alles, was irgendwo in der Welt verführbar und verführerisch sei, in der Hauptstadt zu sehen bekomme und die Jugend durch volksfremde Neigungen entarte, indem sie sich auf Sportplätzen betätige und sich dem Müßiggang und gemeinen Liebesverhältnissen hingebe. Und der Princeps wie der Senat trügen dafür die Verantwortung, da sie nicht nur dem Lasterleben freie Bahn lassen, sondern die führenden Persönlichkeiten in Rom mit Gewalt dazu zwingen, auf der Bühne in der Rolle von Rednern und Dichtern sich zu entehren. Es fehle nur noch, dass sie nackt auftreten, den Handschuh eines Faustkämpfers anlegen und sich in solchen Kämpfen üben anstatt in Kriegs- und Waffendienst. Werde etwa die Gerechtigkeit gefördert und werden die Ritterdekurien ihr hervorragendes Richteramt besser erfüllen, wenn sie weibischen Klängen und süßlichen Stimmen sachkundig lauschen? Sogar bis in die Nächte ziehe sich das schandbare Treiben hin, so dass keine Zeit mehr für eine ehrliche Tätigkeit bleibe, sondern in zweifelhafter Gesellschaft die liederlichsten Elemente die Gelüste, die sie den Tag über hegen, bei Dunkelheit frech betätigen.
etzt wieder aus der Mode.“ (Übers. nach W. Sontheimer)
Tacitus, ann. XIV 21:
(21) Es war der größte Teil, der gerade an diesem hemmungslosen Treiben Gefallen fand. Doch wollten sie dies nicht merken lassen und gaben ihm daher ehrbar klingende Bezeichnungen: Auch die Vorfahren seien den Belustigungen durch Schauspiele nicht abgeneigt gewesen, soweit es ihnen ihre wirtschaftliche Lage gestattet habe, und deshalb hätten sie von den Tuscern die Schauspieler und von Thurii die Pferderennen übernommen. Als man Achaia und Asia besetzt habe, seien die Spiele in größerer Aufmachung geboten worden, aber kein einziger Römer, der aus gutem Hause stammte, habe sich in den nun 200 Jahren seit dem Triumph des L. Mummius, der zum ersten Mal solche Spiele in Rom veranstaltet habe, zu einem Auftritt im Theater hergegeben. Auch habe man an Sparsamkeit gedacht, indem man für das Theater einen dauerhaften Bau errichtet habe, anstatt jedes Jahr mit gewaltigen Kosten ein neues entstehen und es dann wieder einreißen zu lassen. Jetzt müssten die Staatsbeamten nicht mehr so wie früher ihr Vermögen opfern oder hätte das Volk Anlaß, von den Staatsbeamten die Veranstaltung griechischer Wettkämpfe zu fordern, dass das Gemeinwesen für diese Kosten aufkomme. Die Siege der Redner und Dichter würden einen Anreiz für Begabungen bilden, und für keinen Richter sei es belastend, wenn er sich den schönen Künsten und erlaubten Vergnügungen hingebe. Eher der Fröhlichkeit als der Ausschweifung würden in ganzen 5 Jahren ein paar Nächte gewidmet, in denen man bei dem hellen Fackelschein nichts Unerlaubtes verbergen könne. Und wirklich ging dieses Schauspiel ohne einen hässlichen Zwischenfall vorüber. Und nicht einmal zu einer mäßigen Begeisterung ließ sich das Publikum hinreißen, weil die Schauspieler zwar der Bühne wiedergegeben, aber zu den heiligen Wettkämpfen nicht zugelassen waren. In der Beredsamkeit erhielt niemand einen ersten Preis. Jedoch wurde der Cäsar als Sieger ausgerufen. Die griechische Tracht, in der in diesen ta
Tac., ann. XV 49,3 (latein. Text):
Tac., ann. XVI 4-5 (latein. Text):
(4) „Indessen bot der Senat – die alle 5 Jahre stattfindenden Spiele standen bevor – dem Imperator den Siegeskranz im Gesang an und fügte den Ehrenkranz für Beredsamkeit hinzu, um das hässliche Auftreten als Schauspieler zu verhüllen. Aber Nero erklärte, er benötige keineswegs die Begünstigung und das Machtwort des Senats. Er stehe gleich auf gleich mit den anderen Bewerbern und werde nur durch die gewissenhafte Entscheidung der Kampfrichter sich den verdienten Preis erwerben. So las er denn zuerst ein Gedicht auf der Bühne vor, und als ihn dann das Publikum bestürmte, alle seine Künste zum besten zu geben – so drückte es sich aus – erschien er auf der Bühne des Theaters, wobei er sich an alle Regeln des Kitharaspiels hielt: Er setzte sich nicht, wenn er müde war, er wischte sich den Schweiß nur mit dem Kleide ab, das er trug, und man konnte ihn weder ausspucken noch sich schnäuzen sehen. Zuletzt beugte er das Knie, huldigte mit einer Handbewegung den Versammelten und wartete mit geheucheltem Bangen auf die Sprüche der Richter. Und der Stadtpöbel, gewohnt, auch die Schauspieler bei ihren Gesten zu unterstützen, erfüllte den Theaterraum mit seinem taktmäßigen Beifallklatschen. Man hätte glauben können, es sei der Ausdruck der Freude. Und vielleicht freuten sie sich auch in ihrer Unbekümmertheit um den Frevel, der an dem Gemeinwesen verübt wurde.
(5) Aber alle die Leute, die aus den entfernten Landstädten und aus dem immer noch an den alten, strengen Sitten festhaltenden Italien gekommen waren, ferner alle, die ohne in den entlegenen Provinzen mit dem leichtsinnigen Leben in Rom Bekanntschaft gemacht zu haben, dorthin als Gesandte oder in privaten Geschäften eine Reise gemacht hatten, konnten den Anblick dieses Treibens nicht ertragen, auch reichten ihre Kräfte für die schändliche Mühe nicht aus, da ihre ungeübten Hände versagten und sie Verwirrung unter den Leuten, die sich darauf verstanden, stifteten und oft von den Soldaten geprügelt wurden, die in den Gängen standen, um darüber zu wachen, dass in keinem einzigen Augenblick das Beifallsgeschrei ungleichmäßig werde oder ein lahmes Stillschweigen eintrete. Es steht fest, dass eine ganze Anzahl Ritter, als sie sich durch die beengten Zugänge und durch die eindringende Menschenmasse Bahn zu brechen suchten, niedergetrampelt wurde, während andere Tag und Nacht auf ihren Plätzen ausharrten und auf den Tod erkrankten. Denn noch Schlimmeres hatten sie zu befürchten, falls sie dem Schauspiel fernblieben, da viele Aufpasser, offene und noch mehr geheime, die Namen und Mienen der Besucher, deren Freude und Traurigkeit erforschten. Und so wurde über die Angehörigen niederen Standes sofort die Todesstrafe verhängt, bei den hochgestellten Persönlichkeiten ließ man für den Augenblick den Hass nicht merken, um ihn dann später sich auswirken zu lassen. Man erzählte, Vespasian sei, als er wie im Schlaf die Augen schloss, von dem Freigelassenen Phoebus hart angefahren und nur mit Mühen durch de Bitten der Bessergesinnten geschützt worden; auch sei er später dem drohenden Verderben nur dadurch entronnen, dass ihn das Schicksal zu höheren Aufgaben berufen habe."
Cassius Dio LXI 21:
„ ... Und für sein eigenes Wohlergehen und den Bestand seiner Herrschaft richtete er, wie es jedenfalls sein Edikt ausdrückte, Wettkämpfe ein, die alle vier Jahr abgehalten werden sollten und von ihm den Namen 'Neronia' erhielten. Dem Ereignis zu Ehren ließ er auch das Gymnasium erbauen und spendete bei seiner Einweihung den Senatoren sowohl wie den Rittern kostenlos Olivenöl. Den Siegeskranz der Kitharasänger empfing der Kaiser ohne Wettkampf, nachdem alle anderen unter dem Vorwand, sie verdienten keinen Sieg, abgewiesen worden waren. Und sogleich betrat er im Gewande dieser Gilde das Gymnasium selbst und ließ sich als Sieger eintragen. Daraufhin wurden sämtliche anderen Siegeskränze für Gesang mit der Kithara, die in allen Wettkämpfen zu verleihen waren, ihm zugeschickt. Denn er allein sei des Sieges würdig."
Münzdarstellung:
Nero, Rom, 64 n.Chr.; Avers: NERO CAES AVG IMP; Revers: CER QVINQ ROM CO; Preistisch mit Greifenpaar, Preisvase und Siegeskranz, Diskus am Tischbein.
Vacca, Vita Lucani p. 335,19-23 (ed. Hosius):
Cum inter amicos enim Caesaris tam conspicuus fieret profectus eius in poetica, frequenter offendebat; quippe et certamine pentaeterico acto in Pompei theatro laudibus recitatis in Neronem fuerat coronatus et ex tempore Orphea scriptum in experimentum adversum conplures ediderat poetas et tres libros, quales videmus.
Münzdarstellung
weblink: http://www.fredericweber.com/Neron_as_citharede.htm
Weitere Zeugnisse zu den Auftritten von Kaiser Nero in Theater und Zirkus, die sich nicht auf die Neronia beziehen, seien in diesem Zusammenhang aufgeführt:
Tacitus, ann. XV 65 (lat. Text).
Cassius Dio LXIII 1,1-2 (66 n.Chr.):
„Unter dem Konsulat des Gaius Telesinus und Suetonius Paulinus spielten gleichzeitig ein höchst ruhmvolles und ein anderes Ereignis, das tiefste Schande bedeutete. Einerseits beteiligte sich nämlich Nero am Wettstreit unter den Kitharöden, und nachdem Menekrates, sein Lehrer in dieser Kunst, für ihn einen Triumph im Zirkus veranstaltet hatte, erschien der Kaiser als Wagenlenker. (2) Andererseits fand sich Tiridates persönlich und nicht nur mit seinen eigenen Kindern, sondern auch mit denen des Vologaisos, Pacorus und Monobazus, in Rom ein. Ihr Marsch durch das gesamte Land vom Euphrat her glich einem Triumphzug.“ (Übers. nach O. Veh)
Cassius Dio LXIII 6, 1-3:
„(1) Auf Grund eines besonderen Beschlusses fand auch eine Feier im Theater statt. Dabei waren nicht allein die Bühne, sondern auch der gesamte innere Rund vergoldet und ebenso alle Gegenstände, die man hineinbrachte, mit Gold verziert worden, so dass das Volk dem Tage selbst die Bezeichnung «Goldener» gab. (2) Die über die Häupter hin gegen die Sonnenstrahlen gespannten Vorhänge waren purpurn und in ihrer Mitte eine Abbildung Neros aufgestrickt, wie er einen Wagen lenkt. Dabei umstrahlten ihn rings goldene Sterne. (3) ... Nero aber sang danach öffentlich zur Leier und fuhr auch einen Wagen, gekleidet wie die Grünen und mit dem Helm eines Wagenlenkers auf dem Haupt."
Cassius Dio LXIII 8-10 (67 n.Chr.):
„ ... Hingegen setzte er nach Griechenland über, freilich keineswegs wie ein Flaminius oder Mummius oder seine Vorfahren Agrippa und Augustus; er wollte vielmehr als Wagenlenker und Kitharasänger auftreten, Proklamationen erlassen und bei Tragödien mitwirken.
(3) Rom genügte ihm offensichtlich nicht mehr und auch nicht das Theater des Pompeius sowie der Große Zirkus, es verlangte ihn vielmehr noch nach einem Feldzug in die Ferne, um, wie er sagte, »Sieger der großen Tour (Periodonike)« zu werden. Und eine so gewaltige Masse nicht nur der Augustaner, sondern auch anderer Leute hatte er in seiner Begleitung, daß er damit, falls sie ein Kriegsheer gewesen wären, die Parther und die übrigen Völker hätte unterwerfen können.
(4) Sie waren jedoch nur von der Art, wie man es bei Truppen Neros erwarten durfte, und als Waffen trugen sie Kitharen, Plektren, Masken und Kothurne. Und der Kaiser erfocht mit ihnen Siege, wie sie für solch ein Heer paßten, und überwältigte Terpnos, Diodoros sowie Pammenes statt eines Philipp, Perseus und Antiochos.
(5) Wahrscheinlich zwang er den genannten Pammenes trotz seines Alters - er hatte unter Gaius auf seiner Lebenshöhe gestanden - auch nur deshalb zum Wettkampf, um ihn besiegen und dann seine Ehrenstatuen verunstalten zu können.
9 (1) Hätte sich Nero mit diesen Taten begnügt, so wäre er bloß zum Gegenstand des Gespöttes geworden. Indessen wie konnte wohl einer ruhig zuhören, geschweige denn ruhig zuschauen, daß ein Römer, ein Senator, ein Patrizier, ein pontifex maximus, ein Caesar, ein Kaiser, ein Augustus auf einem Anschlag unter den Wettkämpfern genannt wurde, seine Stimme übte, verschiedene Gesänge einstudierte, auf seinem Haupte langes Haar trug, während sein Kinn glatt rasiert war,
(2) seine Toga bei den Rennen über die Schulter warf, mit einem oder zwei Begleitern spazieren ging, seine Gegner scheel anblickte und ständig mit ihnen Stichelreden führte, vor den Spielordnern und Polizeidienern zitterte und ihnen allen heimlich Geld zusteckte, um nicht im Betretungsfall ausgepeitscht zu werden? Und all dies tat er, damit er den Wettkampf mit den Kitharöden, Tragöden und Herolden siegreich bestehe, im Wettstreit aber mit den Caesaren unterliege.
(3) Was dürfte es denn für eine schlimmere Proskription je geben als diese, bei der nicht Sulla die Namen anderer, vielmehr Nero seinen eigenen Namen auf die Liste setzte? Welcher Sieg ist wohl sinnloser als jener, bei dem er den Ölzweig, den Lorbeer, den Eppich oder den Fichtenkranz empfing, den politischen Kranz aber verlor?
(4) Indessen warum sollte man allein diese seine Handlungen beklagen, wo man doch sehen mußte, wie er sich auf Kothurne stellte, nur um vom Throne zu stürzen, daß er unter Preisgabe seiner Herrscherwürde die Maske anlegte, um in der Rolle eines entlaufenen Sklaven zu betteln, sich als Blinder führen zu lassen, die Schwangere zu spielen, ein Kind zu gebären, den Verrückten zu machen, sich in der Fremde herumzutreiben, wobei er mit Vorliebe den Part eines Oedipus, Thyestes, Heracles, Alcmeon und Orestes übernahm?
(5) Was die Masken anlangt, die er trug, so waren sie teils eben jenen Personen angepaßt, teils gaben sie ihn selbst wieder; die weiblichen Masken hingegen waren samt und sonders nach Sabinas Gesichtszügen gestaltet, damit auch sie, obschon tot, am Schauspiel teilnehme.
(6) Und auch all das, was die gewöhnlichen Akteure bei ihrem Auftreten spielen mußten, ahmte er nach, in Wort, in Tat und in Unterwerfung unter fremden Willen, nur daß man goldene Ketten verwendete, um ihn zu fesseln; denn man fand es anscheinend als unschicklich für einen römischen Kaiser, sich in eiserne Fesseln legen zu lassen.
10 (1) Gleichwohl wurde dieses ganze unwürdige Betragen nicht nur von der sonstigen Masse, sondern auch von den Soldaten mit angesehen, ertragen, ja sogar gebilligt. Man rief Nero zum Pythioniken, zum Olympioniken, zum Sieger in der »Großen Tour (Periodoniken)« und zum »Allgemeinen Sieger« aus, wobei noch die sonst üblichen Bezeichnungen hinzukamen. Und so vermengte man natürlich mit diesen Namen die dem kaiserlichen Amte zugehörigen Titel, so dass jeder von ihnen einen »Cäsar« und »Augustus« als Abschluss hatte.
(2) ... doch gab ein anderer auf die Frage: 'Was treibt denn der Kaiser da?' zur Antwort: 'Er befindet sich in Geburtswehen!' Nero spielte nämlich gerade die Rolle der Kanake.
(3) Kein einziger von ihnen benahm sich überhaupt so, wie es eines Römers würdig gewesen wäre. Stattdessen beteten sie angesichts des ihnen vielen zufallenden vielen Geldes nur darum, dass der Kaiser weiterhin viele solche Aufführungen geben würde, damit sie noch mehr verdienten.“
Cassius Dio LXIII 14,3-4:
„In jeder Stadt, in der ein Wettkampf ausgetragen wurde, beteiligte er sich gleichermaßen daran und benutzte den Exkonsul Cluvius Rufus jederzeit als Herold, wenn immer die Dienste eines solchen erfolgreich waren. Ausnahmen bildeten lediglich Athen und Sparta, Orte, die Nero überhaupt nicht besuchte. Die letztgenannte Stadt mied er wegen er Gesetze des Lykurg, sie standen seinen Absichten ganz entgegen (vgl. Libanios, or. LXIV 6-7). Bei Athen hingegen ging es um die Geschichte mit den Erinyen. Die Verkündigung aber lautete jedes Mal: »Nero Cäsar besteht siegreich diesen Wettkampf und er bekränzt das römische Volk und die bewohnte Erde, die sein eigen ist.« Obwohl er so nach seinen Worten eine Welt besaß, fuhr er nichtsdestoweniger fort, zur Kithara zu singen, Verkündigungen zu machen und bei Tragödien mitzuspielen." (Übers. nach O. Veh)
Vgl.: G.L. Tafel, Cassius Dio's Römische Geschichte, 12 ( = G.L. Tafel - E.R. von Osiander - G. Schwab (Hrsg.), Griechische Prosaiker in neuer Übersetzung, 184) (Stuttgart 1839) 1475 ff.; K.R. Bradley, The Chronology of Nero's Visit to Greece A.D. 66/67, Latomus 37, 1978, 61-72; K.R. Bradley, Nero's Retinue in Greece, AD 66/67, Illinois Classical Studies 4, 1979, 152-157 (pdf).
Cassius Dio LXIII 20 (zum Jahre 68 n.Chr.):
ἐπεὶ δ’ οὖν ἐς τὴν Ῥώμην ἐσήλασε, τοῦ τε τείχους τι καϑῃρέϑη καὶ τῶν πυλῶν περιερράγη, νενομίσϑαι τινῶν λεγόντων ἑκάτερον τοῖς ἐκ τῶν ἀγώνων στεϕανηϕόροις γίνεσϑαι. καὶ ἐσεϕοίτησαν πρῶτοι μὲν οἱ τοὺς στεϕάνους οὓς ἀνῄρητο κομίζοντες, καὶ μετ’ αὐτοὺς ἕτεροι σανίδιατε ἐπὶ δοράτων ἀνατείνοντες, ἐϕ’ οἷς ἐπεγέγραπτο τό τε ὄνομα τοῦ ἀγῶνος καὶ τὸ εἶδος τοῦ ἀγωνίσματος, ὅτι τε Νέρων Καῖσαρ πρῶτος πάντων τῶν ἀπὸ τοῦ αἰῶνος Ῥωμαίων ἐνίκησεν αὐτό, ἔπειτα αὐτὸς ἐϕ’ ἅρματος ἐπινικίου, ἐν ᾧ ποτε ὁ Αὔγουστος τὰ πολλὰ ἐκεῖνα νικητήρια ἐπεπόμϕει, ἁλουργίδα χρυσόπαστον ἔχων καὶ κότινον ἐστεϕανωμένος, τὴν Πυϑικὴν δάϕνην προτείνων·καὶ αὐτῷ ὁ Διόδωρος ὁ κιϑαρῳδὸς παρωχεῖτο. καὶ οὕτω διά τε τοῦ ἱπποδρόμου καὶ διὰ τῆς ἀγορᾶς μετά τε τῶν στρατιωτῶν καὶ μετὰ τῶν ἱππέων τῆς τε βουλῆς διελϑὼν ἐς τὸ Καπιτώλιον ἀνέβη, καὶ ἐκεῖϑεν ἐς τὸ Παλάτιον, πάσης μὲν τῆς πόλεως ἐστεϕανωμένης καὶ λυχνοκαυτούσης καὶ ϑυμιώσης, πάντων δὲ τῶν ἀνϑρώπων, καὶ αὐτῶν τῶν βουλευτῶν ὅτι μάλιστα, συμβοώντων “ Ὀλυμπιονῖκα οὐᾶ, Πυϑιονῖκα οὐᾶ, Αὔγουστε Αὔγουστε. Νέρωνι τῷ Ἡρακλεῖ, Νέρωνι τῷ Ἀπόλλωνι. ὡς εἷς περιοδονίκης, εἷς ἀπ’ αἰῶνος, Αὔγουστε Αὔγουστε. ἱερὰ ϕωνή· μακάριοι οἵ σου ἀκούοντες”. τί γὰρ δεῖ περιπλέκειν καὶ οὐκ αὐτὰ τὰ λεχϑέντα δηλοῦν; οὐδὲ γὰρ οὐδ’ αἰσχύνην τινὰ τῇ συγγραϕῇ τὰ ῥηϑέντα, ἀλλὰ καὶ κόσμον τὸ μηδὲν αὐτῶν ἀποκρυϕϑῆναι ϕέρει.
„Als der Kaiser nun in Rom einzog wurde ein Stück der Mauer niedergerissen und ein Teil der Tore ringsum eingebrochen. Einige erklärten nämlich, beides sei so Sitte, wenn Wettkämpfer siegreich zurückkehrten. Zuerst betraten Männer die Stadt, welche die von Nero gewonnenen Kränze trugen. Ihnen folgten andere mit Holztafeln oben an den Speeren, darauf der Name des Spieles, die Art des Wettkampfes und die Angabe standen, dass Nero Cäsar als Erster aller Römer von Weltbeginn an diesen Sieg errungen habe. Dann kam der Sieger selbst auf einem Triumphwagen, und zwar auf dem, den Augustus einstmals zur Feier seiner zahllosen Siege benutzt hatte. Der Herrscher trug ein Purpurkleid mit Goldstickereien und auf dem Haupte einen Olivenkranz, während er in der Hand den pythischen Lorbeer hielt. Ihm zur Seite im Wagen fuhr der Kitharöde Diodoros (siehe auch Marcellus-Theater). Nachdem der Kaiser so, begleitet von den Soldaten, den Rittern und Senatoren durch den Zirkus und über das Forum gezogen war, stieg er zum Kapitol empor und begab sich von dort in seinen Palast. Die ganze Stadt aber war mit Girlanden geschmückt, während die gesamte Bevölkerung und besonders laut gerade die Senatoren im Chor riefen: »Heil dir, Olympiasieger, Heil pythischer Sieger! Augustus! Augustus! Heil Nero, unserem Herkules! Heil Nero, unserem Apollo! Der einzige Sieger der Großen Tour! Der einzig Eine vom Beginn der Zeit! Augustus! Augustus! Göttliche Stimme! Selig, welche dich hören dürfen!« Warum soll ich Umschreibungen gebrauchen und nicht die Worte wiedergeben, wie sie tatsächlich gesprochen wurden? ..."
Cassius Dio LXIII 21:
ἐκτελέσας δὲ ταῦτα ἱπποδρομίας ἐπήγγειλε, καὶ τοὺς στεϕάνους, τούτους τε καὶ τοὺς ἄλλους πάντας ὅσους ἅρμασι νικήσας εἰλήϕει, ἐς τὸν ἱππόδρομον ἐσήνεγκε καὶ τῷ ὀβελίσκῳ τῷ Αἰγυπτίῳ περιέϑηκε καὶ ἦσαν ὀκτὼ καὶ ὀκτακόσιοι καὶ χίλιοι. ποιήσας δὲ ταῦτα ἡνιόχησε. Λάρκιος δέ τις Λυδὸς προσῆλϑεν αὐτῷ πέντε καὶ εἴκοσι μυριάδας προσϑέρων ἵνα κιϑαρῳδήσῃ καὶ ὃς τὸ μὲν ἀργύριον οὐκ ἔλαβεν, ἀπαξιώσας μισϑοῦ τι ποιῆσαι καὶ διὰ τοῦτο Τιγελλῖνος αὐτὸ ἐσέπραξεν, ἵνα μὴ αὐτὸν ἀποκτείνῃ, ἐς μέντοι τὸ ϑέατρον καὶ ὣς ἐσελϑὼν καὶ ἐκιϑαρῴδησε καὶ ἐτραγῴδησεν, ἐπεὶ τοῖς γε ἵπποις οὐκ ἔστιν ὅτε οὐχ ἡμιλλᾶτο. ἔστι δὲ ὅτε καὶ ἑκὼν ἡττᾶτο, ὅπως τά γε ἄλλα τὰ πλείω πιστεύηται ἐπ ἀληϑείας κρατεῖν.
Nachdem der Kaiser diese Feierlichkeiten beendet hatte, kündigte er eine Reihe Pferderennen an und ließ sowohl diese als auch alle anderen Siegeskränze, die er im Wagenrennen gewonnen hatte, in den Zirkus bringen und rund um den ägyptischen Obelisken niederlegen. Ihre Zahl belief sich auf 1808. Hierauf erschien er als Wagenlenker. Ein gewisser Larcius aber, ein Lyder, trat an ihn heran und bot ihm eine Million Sesterzen, damit er zur Kithara singe. Doch Nero lehnte das Geld ab und erklärte es als seiner unwürdig, etwas für Geld zu tun - Tigellinus kassierte indessen die Summe für den Preis dafür, dass er den Larcius nicht tötete. Gleichwohl erschien der Herrscher im Theater und spielte nicht nur die Kithara, sondern wirkte auch bei einer Tragödie mit. Beim Wettrennen nahm er jedes Mal teil. Zuweilen ließ er sich auch freiwillig besiegen, um es glaubwürdiger zu machen, wenn er bei den meisten anderen Gelegenheiten tatsächlich siegte. (Übers. O. Veh)
Literatur
R. Brancour, Néron musicien. Humanités, Revue d’enseignement secondaires 1935, 189 ff.
A. Lesky, Neroniana, in: Pankarpeia, Mélanges Henri Grégoire. Annuaire de l’institut de philologie et d’histoire orientales et slaves 9, 1949, 385–407.
W.D. Lebek, Lucans Pharsalia, Hypomnemata, 44 (Göttingen 1976) 281.
M. Clavel-Lévêque, L'Empire en Jeux. Espace Symbolique et Pratique Sociale dans le Monde Romain (Paris 1984) 28.
M.A. Cavallaro, Spese e spettacoli, Antiquitas 34 (Bonn 1984) 67 ff.
M.T. Griffin, Nero. The End of a Dynasty (London 1984) 160 ff.
F. Dupont, L'acteur du Roi ou le théâtre dans la Rome antique (Paris 1985) 429 ff.
P.L. Schmidt, Nero und das Theater, in: J. Blänsdorf (Hrsg.), Theater und Gesellschaft im Imperium Romanum. Mainzer Forschungen zu Drama und Theater 4 (Tübingen 1990) 149-163.
H. Leppin, Histrionen (Bonn 1992) 171. 220 ff.; 231 (zum Kitharöden Diodorus auch Sueton, Vespasian XIX 1). 257 (zum Streit mit M. Annaeus Lucanus).
W. Weeber, Panem et Circenses. Massenunterhaltung als Politik im antiken Rom (Mainz 1994) 77-79.
J. Krüger, Nero. Der römische Kaiser und seine Zeit (Wien - Köln - Weimar 2012).
weblinks: