Phädra ist vor allem als die zurückgewiesene Liebhaberin des Hippolytos bekannt. Sie ist die Tochter des kretischen Königs Minos und seiner Frau
Pasiphae. Ihre bekannteste Schwester war Ariadne. Ihr Bruder Deukalion hatte sie dem athenischen Helden Theseus zur Frau gegeben, nachdem dessen Ehe mit der Amazone Hippolyte (nach anderen Antiope oder Melanippe) keinen Bestand mehr hatte. Bei der Hochzeitsfeier mit Phädra soll es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Amazonen einschließlich Theseus' früherer Frau gekommen sein, bei der entweder Theseus selbst oder einer seiner Gäste die Amazone umbrachte. Von dieser Amazone hatte Theseus seinen ersten Sohn Hippolytos. Phädra verliebte sich jedoch in ihren Stiefsohn Hippolytos, nachhdem sie ihrem Gatten Theseus die Söhne Akamas und Demophon geboren hatte. Dies war die raffinierte Rache der Aphrodite an dem allzu keuschen Hippolytos, die das tragische Ende dieser nicht zustande gekommenen Verbindung kannte: Nach langem innerem Ringen gestand Phädra dem Hippolytos ihre Sehnsucht, der sie jedoch aus scheinbar allgemein mangelndem Interesse an Frauen zurückwies. Da Phädra ihrerseits fürchtete, dass Hippolytos ihrem Mann Theseus von der Affäre berichten werde, täuschte sie eine Vergewaltigung durch Hippolytos vor, woraufhin Theseus den Gott Poseidon bat, seinen Sohn zu vernichten. Phädra brachte sich aus Scham um, Hippolytos wurde von den Pferden seines Wagens zu Tode geschleift und Theseus erkannte den wahren Sachverhalt zu spät.
Der Mythos wurde in verschiedenen Tragödien bearbeitet, wozu hier s.v. Hippolytos verglichen sei. Von
Sophokles stammt eine nur in Fragmenten erhaltene Tragödie mit dem Titel
'Phädra',
Seneca dichtete die lateinische Fassung der nur in Fragmenten erhaltenen Tragödie
'Der verhüllte Hippolytos' aus der Hand des
Euripides: Dies war eine ältere Version des Stoffes, die beim athenischen Publikum durchgefallen zu sein scheint, weil dort der Tabubruch der Phädra ganz offen ausgesprochen wurde. Der
'Bekränzte Hippolytos' desselben Autors war dann erfolgreicher.
Literatur
P. Devambez, Le motif de Phèdre, Bulletin de la correspondence hellenique 79, 1955, 121–134.
O. Zwierlein, Hippolytos und Phaidra. Von Euripides bis D'Annunzio, Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge der Geisteswissenschaftlichen Reihe, 405 (Paderborn 2006).
F. Yoon, The use of anonymous characters in Greek tragedy: the shaping of heroes, Mnemosyne suppl., 344 (Leiden - Boston 2012) 86 ff. (Leseprobe).
Bettina Bergmann, The Lineup: Passion Transgression and Mythical Women in Roman Painting, 199-246 (academia.edu)
weblinks:
Autour d'Ariane (hierunter Nachweise zu Phädradarstellungen)
Darstellungen
Die hier aufgeführten Darstellungen von Phädra (und Hippolytos) zeigen den Moment, in dem Phädra - meist unter Vermittlung ihrer Amme - ihrem Stiefsohn Hippolytos ihre Liebe offenbart, dieser sich aber abwendet. In den für die Bühne vorgesehenen Bearbeitungen des Mythos ist dieser Augenblick ein dramatischer Höhepunkt. Die bildlichen Wiedergaben des Themas sind nicht unmittelbar als Darstellung einer Theaterszene kenntlich, weil sie die beteiligten Personen nicht als Schauspieler mit der Maske zeigen. Dennoch gibt sich das Hippolytos-Phädra-Mosaik aus Daphne als Theaterszene zu erkennen und gibt somit einen Hinweis exemplarischer Bedeutung, dass in antiken Bildern Bühnendarsteller auch ohne Maske gezeigt werden und dennoch eine Theaterszene meinen. So können unter Umständen auch weitere ähnliche Bildkompositionen dieses mythologischen Moments als Reflexe von Bühnenaufführungen verstanden werden, wenn der weitere Kontext solches in Erwägung ziehen läßt: Dies können die Figurenkomposition sein, die Thematik einer Raumausstattung und im Falle des Domus Aurea in Rom das hinlänglich bekannte Interesse ihres Hausherrn Kaiser Neros am Theaterwesen.
Daphne bei Antiocheia, Haus 2, "Red pavement", Hippolytos und Phädra, Mosaikbild.
Herculaneum, Neapel MN 9041, 104x103 cm, Wandmalerei:
Das Bild zeigt links die thronende Phädra mit der für sie typischen Geste des Schleierhaltens mit ihrer linken Hand. Rechts von ihr steht die alte Amme und redet auf den neben ihr stehenden Hippolytos ein, der sich jedoch abwendet. Am rechten Bildrand stehen sein Pferd und ein Sklave, die ihn als Jäger und Anhänger der Artemis kennzeichnen.
Lit.: Le antichità d'Ercolano = Pitture d'Ercolano, III 15 (Neapel 1762) 83 Taf. ; W. Helbig, Die Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens (Leipzig 1868) 1244; S. Reinach, Répertoire des peintures grecques et romains 210,1; P. Herrmann, Denkmäler der Malerei des Altertums, III (München 1931) Taf. 253; Richardson 1955 Taf. 43; Pompei. Leben und Kunst in den Vesuvstädten, Ausstellungskatalog Zürich 1974 (Recklinghausen 1974) 203 Nr. 350; Taf. S. 73; J. Ward-Perkins - A. Claridge, Pompeii A.D. 79, Ausstellungskatalog Museum of Fine Arts Boston (Boston 1978) 69 Abb.; O. Ferrari (Hrsg.), Le collezioni del Museo nazionale di Napoli. I mosaici, le pitture, gli oggetti di uso quotidiano, gli argenti, le terracotte inventariate, i vetri, i cristalli, gli avori (Neapel 1986) 150 f. Nr. 195; L. Franchi dell'Orto, Pompeji wiederentdeckt: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, 19. März ... (Rom 1994) 290; L. Richardson, A Catalog of Identifiable Figure Painters of Ancient Pompeii, Herculaneum, and Stabiae (Baltimore 2000) 164.
weblinks:
Herculaneum, Bild auf einer Marmorplatte; AO: Neapel, Mus. Naz. 9563.
Pompeji V 2,10 (=V 2,9-12) (l) tablinum, Ostwand, Wandmalerei:
Das heute zerstörte Bild ist nur noch in einer skizzenhaften Zeichnung erhalten. Es zeigt links Phädra in typischer Haltung thronend, rechts neben ihr die Amme, gefolgt von Hippolytos, der scheinbar entsetzt den Arm hebt, und neben ihm wiederum sein Pferd und sein Sklave. Den Hintergrund bildet ein ländliches Heiligtum.
Lit.: A. Mau, Scavi di Pompei, Mitt DAI Rom 5, 1890, 260 Abb.; S. Reinach, Répertoire des peintures grecques et romaines (Paris 1922) 210,3; K. Schefold, Die Wände Pompejis (Berlin 1957) 71; Pompei. Pitture e Mosaici, III (Rom 1991) 835 Abb. 11.
Pompeji VI 5,2 (?), Wandmalerei „in einem der Häuser auf der Ostseite des Vicolo di Modesto.
Pompeji VI 9,6-7, Casa dei Dioscuri, (45) Peristyl, Südwand neben der Oecustür, Wandmalerei.
Pompeji VIII 4,34 Strada d'Iside 9, Raum 5, Wandbild:
Lit.: W. Helbig, Die Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens (Leipzig 1868) 264 Nr. 1245; K. Schefold, Die Wände Pompejis (Berlin 1957) 225; Pompei. Pitture e mosaici, VIII (Rom 1998) 543 Abb. 18.
Pompeji IX 1,22.29, Haus des Epidius Sabinus, Raum x, Ostwand, Wandbild:
Das Wandbild ist nicht erhalten und allein den Beschreibungen von Schöne und Helbig sowie einer Zeichnung von N. la Volpe überliefert. Es zeigt vor einer in wenigen Zügen angegebenen Palastarchitektur links die sitzende Phädra, die ihren Kopf nachdenklich zur Seite geneigt hat. Mit ihrem linken erhobenen Arm zupft sie sich ihren Schleier an ihrer Schläfe zurecht, mit ihrer Rechten hält sie Schleier und Gewand vor ihrem Leib zusammen. Rechts von ihr steht ihre Amme mit dem Rücken zu Phädra und redet auf den rechts neben ihr stehenden Hippolytos ein, der scheinbar teilnahmslos nach rechts aus dem Bild hinausschaut.
Lit.: R. Schöne, Bullettino dell'Istituto 1867, 84; W. Helbig, Wandgemälde der vom Vesuv verschütteten Städte Campaniens (Leipzig 1868) 263 Nr. 1243; K. Schefold, Vergessenes Pompeji (Bern/München 1962) Taf. 59,4; Pompei. Pitture e mosaici, VIII (Rom 1998) 992 f. Abb. 65.
Pompeji IX 5,18 Haus des Jason, cubiculum c, linke Wand mit Phädra, NM Neapel 114322, Wandmalerei.
Der Raum ist mit weiteren Bildern von Themen großer Tragödien ausgemalt, die Rückwand zeigt Medea vor dem Kindermord sowie Paris und Helena.
Pompeji, NM Neapel 20620, Wandmalerei:
Am linken Bildrand thront Phädra und schaut schwermütig an den Personen rechts von ihr vorbei. Diese sind die nach rechts gewendete Amme, in der Mitte Hippolytos und hinter ihm ein weißes Pferd haltend ein reiferer Mann. Die Personen stehen vor einem Säulenhintergrund, vom Gebälk hängt ein Vorhang herab.
Die Lokalisierung der Malerei ist einstweilen nicht genauer als 'Pompeji' bestimmbar.
Lit.: L. Franchi Dell'Orto (Hrsg.), Pompeji wiederentdeckt: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, 19. März ... (Rom 1994) 293 Nr. 223; Pompeji – picta fragmenta, decorazioni parietali dalle città sepolta. Katalog zur Ausstellung Turin 12. September 1997–10. Januar 1998 (Turin - Pompeji 1997) 116 Nr. 68.
weblinks:
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Pompeji (?); AO: London, Brit. Mus.:
Auf einem Thron sitzt eine nach links gewandte Frau und schaut sich leicht nach rechts um; ihre rechte angewinkelte Hand hat sie an ihr Kinn geführt und hält ihren weißen Schleier fest während ihre linke hand auf ihrem rechten Knie liegt. Linker Oberarm und Schulter sind frei. Links hinter ihr steht eine weibliche Figur in blauer Tunica mit gelbem Überfall und violettem um die Hüfte gewickeltem Mantel: In ihr wird die Amme der Phädra gesehen, wenn die Deutung auf Phädra das Richtige trifft.
Lit.: R.P. Hinks, Catalogue of the Greek, Etruscan and Roman paintings and mosaics in the British Museum (London 1933) 16 f. Nr. 29 Abb. 14; LIMC VII (München - Zürich 1994) 357 Nr. 10 s.v. Phaidra (P. Linant de Bellefond)
Venafrum, Wandmalerei:
Lit.: Jacobelli - Fröhlich, in: D. Scagliarini Corlàita (Hrsg.), I temi figurativi nella pittura antica (IV sec. a.C.-IV sec. d.C.), Atti del VI Convegno Internazionale sulla pittura parietale antica, Bologna, 20-23 settembre 1995. Studi e scavi 5 (Bologna 1997) 380 Abb. 4.
Rom, Tor Marancio, Wandmalerei:
Lit.: B. Sauer, Fedra, Mitt DAI Rom 5, 1890, 17 Anm. 5.; S. Reinach, Répertoire de la peinture grecque et romaine (Paris 1922) 209,1.
Schwarzenacker, Haus 17, Hypokaustum, Wandmalerei, Phädra (?); AO: Schwarzenacker, Museum:
Im Hypokaustum von Haus 17 in Schwarzenacker wurden in originaler Versturzlage die Fragmente einer thronenden Frau von leicht unterlebensgroßem Maßstab gefunden. Von den Verpzutzfragmenten existieren kaum mehr Originale, dafür jedoch Grabungsphotographien. Ihr Oberkörper ist nicht erhalten gewesen. Zu dieser Figur gehört ein weiteres Fragment mit den Resten eines titulus pictus der Buchstaben ---]PHA[---. Sie liegen auf dem Grund einer Wanddekoration perspektivischer Architekturdarstellung und sind vermutlich eine Beischrift der erwähnten Sitzfigur. Ergänzungen zu OM]PHA[LE, PASI]PHA[E oder PHA[EDRA sind denkbar, im Zusammenhang mit dem Bild der thronenden weiblichen Figur ist jedoch die Ergänzung zu 'Phaedra' am wahrscheinlichsten.
Vorgeschlagen wurde die Rekonstruktion zu einem 2-Figurenbild mit Phädra und Hippolytos, das von einer perspektivischen Architekturdekoration gerahmt ist, die an Palastarchitektur oder eine Theaterkulisse erinnert. Die Malerei gehörte vermutlich in die Lünette einer Wand. Sie ist Teil einer ungewöhnlich reichen Raumausstattung, zu der weitere gerahmte figürliche Bilder gehörten: Als solche lassen sich durch einen weiteren titulus pictus eine Dädalusdarstellung bestimmen, ein Heros mit aufgestützter Keule (Herakles oder Theseus) sowie zwei dionysische Figuren, die mit einer gelagerten weiblichen Figur zusammenzustellen sein können, die als von Dionysos aufgefundene Ariadne gedeutet werden dürfte. Die Thematik gehört zur beliebtesten in Mythologie und Theater.
Lit.: R. Gogräfe, Schwarzenacker – bemalte Verputze und ihre Schlußfolgerungen für die Vicus-Architektur, in: R. Gogräfe – K. Kell (Hrsg.), Haus und Siedlung in den römischen Nordwestprovinzen – Grabungsbefund, Architektur und Ausstattung. Internationales Symposium der Stadt Homburg Homburg vom 23. und 24. November 2000. Forschungen im römischen Schwarzenacker IV (Homburg 2002) 258 f.; 272 ff. Taf. 10,2; 11,1-2; 13.
Rom, Domus Aurea, Wandmalerei:
Das nurmehr aus dem Stichwerk von Sta. Bartoli und Bellori bekannte Wandbild zeigt die üblichen Figuren der Phädra-Hippolytos-Szenen: Phädra, ihre zu Hippolytos sprechende Amme und den sich abwendenden Hippolytos selbst. Zusätzlich steht eine Dienerin bei Phädra. Bemerkenswert ist der auf dem Boden liegende Brief in Form eines Diptychons, welcher das Liebesgeständnis der Phädra enthielt, ein Detail, welches vom Mosaik aus Daphne bekannt ist. Hierdurch erhält das Bild einen zusätzlich "scaenetischen" Charakter, den man durchaus vor dem Hintergrund des Interesses des Hausherrn
Nero an der Welt des Theaters verstehen kann und das sich in seinen Auftritten als Kitharöde und tragischer Schauspieler sowie der Stiftung der
Iuvenalia und
Neronia mit umfänglichen Veranstaltungen im Theater manifestierte.
Lit.: Pietro Sante Bartoli - Giovanni Pietro Bellori, Pictorae antiquae cryptarum romanarum et sepulcri nasonum. Delineatae & expressae ad Archetypa a Pietro Sancti Bartholi et Francisco eius filio. Descriptae ver & illustatae a Johanne Petro Belloro et Michaele Angelo Causseo (Rom 1738)
Taf. 6; S. Reinach, Répertoire de la peinture grecque et romaine (Paris 1922) 209,3.
Rom, Domus Aurea, Raum 80, Volta Dorata, Deckenmalerei:
Das Bild ist Teil der sog. Volta Dorata, der berühmten Deckenmalerei der Domus Aurea. Es ist aus älteren Zeichnungen überliefert sowie heute noch sichtbar. Es liegt auf einer Orthogonalachse des Deckensystems am Rande des Deckenfeldes. Das langrechteckige Bild zeigt zusätzlich zu den üblichen beteiligten Personen von Phädra-Hippolytos-Bildern noch weitere Diener und Sklaven: die thronende Phädra, ihre Amme sowie in der Bildmitte Hippolytos stechen jedoch deutlich hervor.
Lit.: L. Mirri, Le antiche camere delle terme di Tito e la loro pitture restituite al pubblico (Rom 1776)
Taf. 42.
43;
N. Ponce, Collection des tableaux et arabesques antiques trouvés à Rome dans les ruines des thermes de Titus (Paris 1786)
Taf. 42;
A. Kalkmann, Über die Darstellungen der Hippolytossage. Arch. Ztg. 41, 1883, 105 ff.
Taf. 7,3; F. Weege, Das Goldene Haus des Nero, Jahrb. DAI 1913, 169 f. 175 Abb. 22 Taf. 7; S. Reinach, Répertoire de la peinture grecque et romaine (Paris 1922) 209,4; M.-Noëlle Pinot de Villechenon, Domus Aurea, La decorazione pittorica del palazzo neroniano sull Album delle „Terme di Tito“ conservato al Louvre (Mailand 1998) Abb. S. 44 f.; P.G.P. Meyboom - E.M. Moormann, Le decorazioni dipinte a marmoree della Domus Aurea di Nerone a Roma, BABESCH Suppl. 20 (Löwen - Paris - Walpole 2013) 197-202 Abb. 80.7. 12-13.
weblinks:
Nea Paphos, Haus des Dionysos, Raum 6, Mosaik:
Lit.: M. Droste, Chaire kai Sy, Freue Dich, auch Du, Zur Deutung der Mittelfigur im Jahreszeitenmosaik im Haus des Dionysos von Paphos, Antike Welt 32/6, 2001, 567 Abb. 7.
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